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7. Februar 2019 - 23. März 2019
Christiane Latendorf liebt Märchen. Sie liest, wenn sie traurig ist und liest, wenn sie glücklich ist und verschenkt Märchen als Kraftspender. In ihrer Gegenwart werden Geschichten aus Kinderzeiten wieder lebendig, und zwar jene, die mit dem unerschütterlichen Glauben daran verbunden sind, dass das Gute siegt. Und man möchte dieses verloren geglaubte Gefühl nach einer Begegnung mit ihr für sich lange festhalten! Unbeschwerte Freude ist in ihrer Gegenwart tatsächlich möglich und diese so vielbeschworene Leichtigkeit des Seins für Augenblicke lebbar.
Christiane Latendorf fühlt das Leben heftiger, als wir es vermögen und besitzt auf ihrem verschlungenen Weg Schlüssel, um Türen aufzuschließen, hinter die wir noch niemals geschaut haben. Manche fürchten ihre Arbeiten, andere sind ihnen zwanghaft verfallen. Es ist ein mächtiger Zauber, der von ihnen ausgeht. Das ist wahrhaftige Magie, die man in unserer zweckorientierten Gegenwart so sehr vermisst. Die Künstlerin erzählt Geschichten um zu leben, vielleicht sogar um zu überleben, unheimliche, groteske, verwunschene, realistische und visionäre.
Sie ist eine begnadete Zeichnerin und eine faszinierende Koloristin, …
… die je nach mentaler Stimmung ihr bildkünstlerisches Vokabular zu ändern vermag, immer wieder überraschend, immer wieder neu. Sie malt und zeichnet, wie andere eine Biografie schreiben. Sie bannt Erlebtes und verbannt es. Das ist Abwehrzauber, das sind Beschwörungsformeln. Letzten Endes geht es Christiane Latendorf um eine Erweiterung der Erlebnisfähigkeit, genauer: um die Erweiterung der Fähigkeit, die Wirklichkeit als ganze zu erleben. Das geistige Instrument, das einem Selbstentfremdungsprozess entgegenwirkt, ist für sie die freie, an nichts gebundene poetische Vorstellungskraft.
Christiane Latendorf zeichnet, malt und schneidet aus Papieren aus, was sie erlebt, innen und außen. Kraftvoll und phantasiebegabt läßt sie ohne Wenn und Aber zu, was an Erfindungsgabe Gestalt annimmt. In faszinierender Selbstvergessenheit entwickelt sie eine fesselnde Welt, die von den seltsamsten Wesen bevölkert wird. Ihr Blick nach Innen wird begleitet von einer genauen Beobachtung des täglichen Treibens ihrer Mitmenschen. Empfänglich für Sprachrhythmen tauft sie das märchenhafte Geschehen in den vollendeten Arbeiten dann zumeist auf hintersinnige Bildtitel.
Information:
Die Ausstellung “Tragender Grund – Malerei / Zeichnung / Objekte” wird am 7.Februar 2019 um 19:30 Uhr eröffnet und ist vom 08.02. bis 23.03.2019 in der Galerie zu sehen.
Rede zur Ausstellungseröffnung
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Christiane Latendorf hat seit Beendigung ihres Studiums an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden viele Kunstinteressierte und Sammler in ihren Bann gezogen, da sie es nicht verlernt hat, Freude an den kleinen Dingen des Lebens zu empfinden und diese tiefe Anteilnahme und Begeisterung mitzuteilen. Sie liebt die Natur, mit ihr die Pflanzen, Tiere und Menschen und fühlt sich eingebunden in die universellen Zusammenhänge und empfindet die Störung der Weltharmonie als besonders bedrohlich. Viele Tiere hat sie in den Jahren bei sich aufgenommen: Tauben, Spatzen, ein Krähe, einen Papagei, Katzen.
Die Empfindsamkeit und die Demut vor dem Leben teilt sie in vielschichtigen Bildern, Papierschnitten und keramischen Objekten mit. Märchen, Mythen und Geschichten sind für sie ein unerschöpfliches Kraftreservoir. Sie bespricht sich mit den Malmitteln und lässt sich überraschen von dem, was der Pinsel, der Stift und die Schere mitzuteilen haben, wenn sie ihre Erinnerungen mit leuchtenden Farben und Strukturen füllt. „Tragender Grund“ nennt sie ihre Ausstellung, die anlässlich ihres 50. Geburtstages gezeigt wird und mit 112 Bildern und Papierschnitten und zahlreichen keramischen Objekten Einblick gibt in ihr facettenreiches Schaffen. „Tragender Grund“ ist die heilige weiße Fläche, die alles trägt – , Tag und Nacht. Jedes Bild ist wieder ein Anfang, sagte mir die Künstlerin. Manches Bild wird nie vollendet, bleibt immer offen, ist ganz einfach nicht zu beenden. Wichtig ist ihr, in der Betrachtung still zu sein, auch Rückschau zu halten. Ein wunderbares Leuchten aus dem Urgrund des Träumens und Wünschens funkelt uns entgegen. Archaische Bedürfnisse nach Heimat, Liebe, Zuwendung, Kommunikation, Schutz – beinhalten die Geschichten, die mit den Bildern verwoben sind.
Das Werk von Christiane Latendorf kann man als gemalte, gezeichnete, gestaltete Poesie bezeichnen. Jede gefundene und jede gedachte Form verwandelt sie in Bilder, in Gleichnisse, in Geheimnisse.
Ihr Mitteilungsdrang ist immens. Selbst wenn man mit ihr redet oder zu Ausstellungseröffnungen habe ich sie zeichnend erlebt. Ihr ständiger Begleiter ist ein kleines Büchlein, in das sie sich zeichnend vertieft.
Und was sie nicht zeichnen möchte, schreibt sie auf, mitunter in lockerer Versform.
Christiane Latendorf sprengt nicht Grenzen, sondern öffnet sie, schafft Verbindungen, baut Brücken aus der wirklichen Welt in die Welt der Träume und macht den Übergang kaum merkbar.
Das Wissen um die Wunder des Lebens, um die Geheimnisse der Zeit wie auch gewonnene Erkenntnisse aus den Werken der Kunst, steigern ihre Fähigkeit, das Sein zu durchschauen. Die übergroße Sensibilität der Wahrnehmung gibt Christiane Latendorf die besondere Fähigkeit der Vorausahnung und Voraussehung.
Ihre Arbeit ist durch viele Fäden mit der Tradition verbunden, sich ein Bild zu machen. Das Wuchernd-Wachsende, das alles zu umfassen versucht, erinnert stark an das barocke Prinzip des Gesamtkunstwerkes, das sich im Raum wie in der Zeit zu behaupten sucht, den Himmel mit der Erde vereint, Gott in seiner Menschlichkeit und den Menschen in der Spannung zwischen Geburt und Tod begreift.
Die Welt ihrer Kunst lässt uns Staunen. Man fühlt sich mit ihr vertraut und in ihr zuhause.
Christiane Latendorf behält immer das menschliche Maß bei, in den Dimensionen ihrer Bilder, in der Tiefe ihrer Emotionen und in der Stärke des bildnerischen Ausdrucks.
Je länger ich mich mit Christiane Latendorf befasse, desto mehr glaube ich, dass Ihre Magie ein bewusster Vorgang ist. Die Künstlerin ist nicht das ausführende Instrument eines Diktats des Unterbewusstseins oder anderer irrationaler Strömungen, sondern sie ist ein wissendes, ein weises Wesen, das mit großer Sensibilität alle diese Strömungen aufnimmt, bewusst neue Inhalte setzt, Vergleiche anstellt, um Botschaften zu vermitteln.
Die Konsequenz dieser Tat ist es, Verantwortung zu übernehmen.
Die Künstlerin tut es für sich, aber auch für jene, für die ihre Botschaft bestimmt ist, ob sie diese schon wahrnehmen und begreifen, oder nicht. Solche Verantwortung macht sie mitunter zur Prophetin. Sie verbindet die Vergangenheit mit der Zukunft.
Gegen das Wort, das allmächtige, dogmatische, abstrakte Wort wird das Bild gesetzt, das allumfassende, offene, assoziative Bild.
Die Künstlerin steckt voller verschlungener Geschichten, die voller Ernst und Heiterkeit sind, voller Spannung und dramatischer Begegnungen, die so selten, so seltsam sind, daß man an ihnen das eigentlich Wahrhaftige des Lebens zu erkennen vermag, das worauf es ankommt…
Jede Ausstellung von Christiane Latendorf ist eine Werbung für die Liebe, die Freiheit, die Poesie, nicht mehr und nicht weniger, eine Werbung für das Prinzip Hoffnung.
Christiane Latendorf ist im Sternzeichen des Schützen im Jahre 1968 in einer Apothekerfamilie aus Anklam geboren. Nach absolvierter Apothekerlehre widmete sie sich der Alchimie der Kunst. Entmutigungen entzog sie sich mit einer beachtlichen inneren Stärke. Sie wusste, was sie wollte! 1997 absolvierte Christiane Latendorf die Dresdner Kunstakademie mit einem Aufsehen erregenden Diplom und seitdem arbeitet sie in
ihrem Dresdner Atelier oder in ihrem Zimmer in Anklam, wenn sie nicht gerade die Welt bereist. Bleibende Eindrücke hinterließen Reisen nach Indien, Georgien, Äthiopien und die arabische Wüste. Tauchen Sie nun ein, in die „Fröhliche Ernte“ von Christiane Latendorf.
Karin Weber