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7. Dezember 2018 - 2. Februar 2019
Handzeichnungen aus 4 Jahrzehnten
Es geht in dieser Ausstellung, die Retrospektivcharakter besitzt, um die Hingabe an die eigene Erkenntnis, im Leben zu bestehen. Die sichtbaren weiblichen Wesen bewahren das, was ihnen Wert ist, in intimen Schutzräumen. An die Seite gestellt sind ihnen Gleichgesinnte, Tiere, deren Symbolwert über sich selbst hinausweist. Die Atmosphäre der Arbeiten besitzt ihren eigenen Atem. Es duftet nach Frühling, nach Sommer, Mücken summen, es rauscht das Meer, es droht Gewitter, flirrendes Sonnenlicht …
… lässt eine behagliche Trägheit ahnen, der Abend legt seinen schweren blauen Mantel um die Wesen, die sich nach Zuwendung sehnen. In der Kunst von Gudrun Trendafilov (Jg. 1958) gibt es keine körperlichen und seelischen Korsetts und deshalb wirken ihre Arbeiten auch so natürlich, so als wären wir mit ihnen verwachsen. Sie sammelt Verborgenes, Vergessenes, Träume und Hoffnungen und schaut hinter Türen, die für manche von uns immer geschlossen bleiben. Ihre Kunst ist Ausdruck eines Lebensgefühls, dessen Kraftwirkung auch den Betrachter einschließt.
Information:
Die Eröffnung zur aktuellen Ausstellung “UNVERSEHENS – Handzeichnungen aus 4 Jahrzehnten” der Künstlerin Gudrun Trendafilov, findet am 6.Dezember 2018 ab 19:30 Uhr in der Galerie Mitte statt.
Sonderveranstaltung:
Weihnachtslesung mit Carmen Franke am 19. Dezember 2018, um 19.30 Uhr
Rede zur Ausstellungseröffnung
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
in ganz besonderen Nächten, an ganz besonderen Tagen, zwischen den Jahren bekommt die Zeit einen Spalt und man kann zwischen dem Ende und dem Anfang in die Zukunft schauen. „unversehens“ wird man gewahr, dass die Zeit unerbittlich, ganz plötzlich, vergangen ist. Es ist so, als wäre man endlich aufgewacht. Man steht vor dem Spiegel, betrachtet sich, entdeckt weiße Haare und wundert sich, wie sich die Lebensspuren am Körper abzeichnen und man selbst ist doch geblieben, der man war, vielleicht mit etwas mehr Lebenserfahrung und auch etwas desillusioniert…
Johann Wolfgang von Goethe sinnierte in seinem Buch der Betrachtungen im „West-Östlichen Diwan:
„Woher ich kam? Es ist noch eine Frage! Mein Weg hierher, der ist mir kaum bewusst: Heut nun und hier, am himmelfrohen Tage begegnen sich wie Freunde, Schmerz und Lust.“
Gudrun Trendafilov wartet in dieser Ausstellung mit Handzeichnungen aus vier Jahrzehnten auf, einer Retrospektive, das ist unglaublich. Es sind 122 Arbeiten, die angefangen von 1979 bis heute zusammengeführt sind: Bleistift- und Buntstiftzeichnungen, Kreide- und Tuschezeichnungen, Mischtechniken auf Papier, Collagen mit Zeichnungen und Aquarellen.
Zuweilen irrlichtert das Glück durch den Alltag und lässt sich nicht fassen. Hier in der Ausstellung wird es aber möglich.
1958 im erzgebirgischen Bernsbach geboren, bestand Gudrun Trendafilov 18jährig die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Sie folgte aufmerksam der Lehre von Prof. Gerhard Kettner, der ihr vermittelte, wie man mit der Linie, durch variierende Stärken, Raum, Perspektive und Bewegung vermitteln kann. Selbst Studienarbeiten integriert die Ausstellung, Akte und Porträts von Freunden, Selbstporträts, wie eine stetige Selbstvergewisserung und Porträts von Familienmitgliedern. Man wandelt durch die Räume und bemerkt kaum die Zeitsprünge, alles scheint einander zu bedingen, geht stilistisch ineinander über. War die Linie anfangs sperriger, expressiver, wurde sie immer feinliniger und romantisierender, um nun die Figurationen wieder kantiger zu umreißen. Diesseitig, suchend, etwas ratlos, jedoch nicht mutlos, zweifelnd bei sich selbst, steht eine weibliche Figur vor brennendem Himmel. Wir leben in einer Zeit mit unsäglichen Veränderungen, Verwerfungen und eines beständigen Wertewandels, der verunsichert. Es ist das Motiv der Vorzugsgrafik zu dieser Ausstellung, eine 5Farben-Algrafie. 10 Exemplare sind mit dieser Präsentation zugängig.
Wie die Linie Figuren streichelt, wie die Farbe sich an Körper schmiegt zeigt den Willen durch die Jahre, Klarheit in die Wirrnis und Willkürlichkeit alltäglicher Erfahrungen zu bringen. Gudrun Trendafilov nähert sich in ohne Vorbehalte der eigenen Gefühlswelt. Sie setzt sich mutig, sich selbst aus. Ihre Arbeiten erzeugen Illusionen, regen die Phantasie an und schenken dem Betrachter eine Freiheit, ohne etwas erwarten zu wollen und zu müssen. Der Bilderkosmos von Gudrun Trendafilov ist rätselhaft schön und geheimnisvoll. Mit ihren Geschichten reagiert die Künstlerin hellwach und intelligent auf die sie umgebende, sehr widersprüchliche Wirklichkeit. Wir folgen demzufolge in der Ausstellung ihrer biografischen Spur. Die Künstlerin untersucht immer Zusammenhänge zwischen dem Innen und dem Außen. Sie zeichnet die Suche nach der verborgenen oder sogar schon verlorenen Heimat. Sie beschreibt das Wandern, das Irren, die einsamen Versprechen, die Abgründe und die Sehnsucht nach Erlösung. Sie zeichnet die Sehnsucht nach Harmonie, nach Kommunikation. Es gibt einige Blätter, die Gespräche verschiedenster Art zum Thema haben. Die Künstlerin ergibt sich ganz einfach dem Prozesshaften, dem Wandel, der auch mit der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zusammenhängt und lässt sich immer wieder mitreißen vom Strudel künstlerischer Inspirationen, die von einem Tuschfleck, einem Gedanken, einem tiefen Gefühl ausgehen können, immer wieder begeistert von der Kraft figürlicher Ereignisse auf den Bildträgern, die sich zum nahezu mythischen Gleichnis des Stirb und Werde verdichten. Mitunter kann man sich sogar vorstellen, wie Gudrun Trendafilov selbst schmunzelnd vor den Papieren sitzt und beobachtet was, sich da an Kuriosem mit der Linie so ereignet.
Einsam und zweisam versinken die menschlichen Wesen im Mikrokosmos der Bildwelten, in denen alles möglich scheint, in denen sich Träume erfüllen und die Erde den Himmel berührt.
Gudrun Trendafilov entwirft Visionen einer friedlichen, völlig ungestörten Koexistenz zwischen Mensch und Natur, der eine universelle Dimension innewohnt, die in archaischen Mythen immer präsent ist. Sie benutzt die Mythen, um die Verflechtung des Menschen in die Gegebenheiten seiner Existenz zu zeigen: Die Monumentalität der Kassandra-Zeichnung im Flur, die sich voller Schmerz nach hinten wirft, ist beeindruckend.
Gudrun Trendafilov weiß um des Lebens Auf und Ab und lehrt uns das Träumen. Von Zeit zu Zeit muss man innehalten, ansonsten kann man sich „unversehens“ verlieren, in der alltäglichen Ratslosigkeit.
Der Betrachter wird in dieser Ausstellung zum staunenden Entdecker von Arbeiten, die Zeugnis einer poetischen Spiritualität sind, die in transzendente Räume mit optischen Sensationen, Verdichtungen und sinnlichen Überraschungen führen. Ihr gelingt es mit zeichnerischer Intensität, Stille hörbar und fühlbar zu machen, der Sehnsucht nach dem Einklang mit archaischen Wurzeln in vielen Klangfarben Ausdruck zu verleihen.
Ihre Arbeiten faszinieren nicht nur deshalb, da man sich ihrer gegenwärtig, daran erinnert, was man bereits verloren hat., sondern sie wecken auch den Wunsch, einen dieser Fetische namenloser Glückseligkeit als Fluchtpunkt bei sich zu tragen, um das Erinnerte nicht wieder zu vergessen. Die Macht der Gedanken ist es, die neue Realitäten schafft, die die Welt verändern kann, wie es Quantenforscher belegen. Schönheit, Harmonie, Meditation – was spricht dagegen?!
Karin Weber