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26. Juli - 31. August
(Durchdringung von Landschaft und Raum)
Malerei/Zeichnung, Druckgrafik & Fotoprint
Biografie Ulrich Eisenfeld
- 1939 in Falkenstein/Vogtland geboren
- Bergmannslehre und Hauer im Steinkohle4bergbau Zwickau/Sa.
- 1960-65 Studium der Malerei an der HfBK Dresden (Diplom)
- seit 1965 freischaffend tätig
- Ateliers in Dresden, Berlin, Goslar, Furuldals Bruk/Mittelschweden und Kreischa bei Dresden
- Ausstellungen und -beteiligungen in Deutschland, Beldien, Schweiz, Polen, Österreich, Spanien, Schweden
Biografie Jan Eisenfeld
- 1966 geboren in Dresden
- 1984-1994 Ausbildung zum Zootierpfleger und Tätigkeit als Elefantenpfleger im Zoologischen Garten Berlin
- 1996-2002 Studium an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
- 2002 Abschluss als Dipl.-Ing. (FH) für Landschaftsnutzung und Naturschutz
- seit 2003 freischaffend als künstlerischer Fotograf und Grafikdesigner
Information
Eröffnung: am Donnerstag, 25. Juli 2024, um 19.30 Uhr
Dauer: 26. Juli bis 31. August 2024
Im Kabinett
INGE THIESS-BÖTTNER
“Musik für die Augen”
Am 7. Februar 2001 verabschiedete sich INGE THIESS-BÖTTNER selbstbewußt von der Öffentlichkeit. Im Rollstuhl sitzend, nahm sie an der Eröffnung der Ausstellung “100 ausgewählte sächsische Grafiken” im Sächsischen Landtag teil. Tapfer ertrug sie die damit verbundenen körperlichen Strapazen, um die letzte öffentliche Würdigung als Preisträgerin 1. Klasse der Dresdner Bank Chemnitz im Rahmen des von der Neuen Sächsischen Galerie initiierten Ausstellungsprojektes zu empfangen. Sie genoß es, ihre Krankheit für einige Stunden zu verdrängen, um sich mit Freunden ihrer Kunst und Künstlerkollegen, in einer für sie so charakteristischen, heiteren Ausgelassenheit und Lebenszugewandtheit zu unterhalten.
Sie ahnte, daß ihr nicht mehr viel Lebenszeit blieb, um so intensiver vermittelte sie ihre Lebenserkenntnisse. Im Februar gelang es dann auch, das spontane Filmprojekt über das Leben und Werk der Künstlerin, mit ihr als Hauptakteurin, zu beenden. Inge Thiess-Böttner erhielt die Gelegenheit, in unmittelbarer Umgebung ihrer Werke, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Die letzte Filmsequenz wurde in ihrer Wohnung gedreht. Als Nahziel bezeichnete sie es, Kraft zu finden, um den Tisch abzuräumen und Stifte sowie Zeichenpapier zum Arbeiten auszubreiten. Dieser letzte Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen. Am 10. März 2001 waren ihre Kraftreserven aufgebraucht.
Hermann Hesse schrieb einmal: “Die Welt und das Leben zu lieben, auch unter Qualen zu lieben, jedem Sonnenstrahl dankbar offenstehen und auch im Leid das Lächeln nicht ganz zu verlernen – diese Lehre jeder echten Dichtung veraltet nie, und ist notwendiger und dankeswerter als je.”
INGE THIESS-BÖTTNER scheint danach unbewußt gelebt zu haben. Sie war eine lebenshungrige, mutige Frau, die ihren Glauben an das Gute im Menschen nie verlor. Sie war voller Energie und Güte und versuchte, jedem, den sie ins Herz geschlossen hatte, etwas davon abzugeben. Freiheit bedeutete für sie, künstlerisch zu arbeiten, formale Eingebungen auszuleben, und diese Einsicht, die sie als unermeßlichen Reichtum für sich bezeichnete, trug sie mit Überzeugung weiter. Ihr Vermächtnis sind ihre Werke: unikate Linoldrucke (es wurde nie eine Auflage gedruckt) und Monotypien, Mischtechniken auf Leinwand und Papier, Serigrafien und British Scraper Boards, bemalte Keramiken und subjektive Fotografien – die ihre Welt-Anschauung und Welt-Durchdringung belegen.
INGE THIESS-BÖTTNER liebte das Leben in einer selbstlosen wie euphorischen Art und Weise. Sie schöpfte Kraft aus der Begegnung mit Menschen und aus der künstlerischen Arbeit, so daß sie zwölf Jahre die tückische Krankheit verdrängen konnte, die ihren Körper zerstörte, die aber ihrem Herzen, das jung geblieben war, nichts anhaben konnte.
Sie erarbeitete ein herausragendes Alterswerk, das zeitlos erscheint und von ihrer Sehnsucht nach menschenverbindender Harmonie kündet. Sie hatte viel Humor, den sie auch brauchte, um der Welt ihre Hoffnungslosigkeit zu nehmen. Sie war neugierig und experimentierfreudig, man konnte mit ihr – sprichwörtlich gesagt „Pferde stehlen“, man konnte mit ihr genießen, träumen und farbig schweigen. Sie war eigensinnig. Sie lernte nicht das Sich-Anpassen, das Maskentragen, sie lernte dem inneren Impuls zu folgen, auf die Menschen zuzugehen und das wurde mit wahrhaftiger Freundschaft belohnt.
Weit spannt sich der biografische Bogen von bürgerlicher Herkunft zu künstlerischer Sendung, von sächsischer Verwurzeltheit zu weltoffener Aufgeschlossenheit.
Angeregt von Freunden, begann Sie 1995 ihre “Erinnerungen” aufzuzuschreiben. Ihr Medium war aber nicht das Schreiben, sondern das Erzählen, so daß sie die Vollendung ihres Vorhabens immer vor sich herschob.
Einiges ist jedoch aus ihrer Hand überliefert:
“Am 25. November 1924 wurde ich in der Dresdner Innenstadt geboren. Die frühesten Kindheitserinnerungen reichen bis zu meinem zweiten Lebensjahr zurück. Dies kann ich mit Bestimmtheit sagen, da mein Vater im Jahre 1926 zusammen mit seinem Freund eine Reise nach Brasilien unternahm, um einen Naturfilm zu drehen. Sein Mitbringsel für meine vier Jahre ältere Schwester und mich waren zwei handzahme Papageien, die auf den Namen Pepito und Anita hörten. Vater ein vielseitig interessierter Mann, war von Beruf Diplomkaufmann. Wissenschaftliche Abhandlungen und Aktivitäten im Wirtschaftsleben machten ihn bekannt. Er war auf seinem Gebiet eine Kapazität. Leider habe ich von diesen Eigenschaften nicht das Geringste geerbt. Meine Mutter, eine gelernte Dentistin, arbeitete vor ihrer Ehe in der elterlichen Praxis. Sie war eine charmante Frau mit Witz, liebte ihren Beruf, und ihre Patienten liebten sie. “Es sei nicht standesgemäß, als verheiratete Frau zu arbeiten!”, war Vaters Meinung. Deshalb gab Mutter nach, wie dies in der damaligen Zeit so üblich war. Man spürte aber, daß sie dieser Entschluß sehr unglücklich machte. Ich war ein phantasiebegabtes Kind, das sich viel allein beschäftigte und an einfachen Dingen Freude hatte. Ein dunkler Holzschuppen beispielsweise, in dem man kaum aufrecht stehen konnte, da er als Kinderwagengarage gedient hatte, wurde für mich zur “Villa Sonnenschein”. Auch experimentierte ich stundenlang mit Pinsel und Farbe auf dem Fußboden im Bad. In richtige Rauschzustände konnte ich mich dabei versetzen. Wie die Bilder aussahen, weiß ich nicht mehr. Meist war ich danach sehr schmutzig. Die Ernüchterung folgte schnell, indem man mich in die Badewanne steckte. Wenn ich Mutter nach der Güte meiner Produktion fragte, antwortete sie meist mit ein paar tröstenden Worten. Das genügte mir nicht. Meine Frage: “Sehen die Bilder aus wie gekauft?”, ließ sie noch ratloser werden und manchmal mußte sie darüber lachen. Das kränkte mich sehr… So eroberte ich mir meine ganz persönliche Welt. Niemand wußte, wie reich ich mich fühlte!”
Ihr Weg führte sie über künstlerische Bekanntschaften mit Etha Richter, Max Schwimmer und Ernst Hassebrauk und über die Private Malschule von Weiland Simonson Castelli an die Dresdner Kunstakademie. Ihr Studium schloß sie bei Wilhelm Lachnit ab, allerdings mit dem Makel der Etikettierung als Formalistin. Warum der Klasse diese Beurteilung zufiel, wollte und konnte sie nie verstehen. Was sie allerdings von Lachnit über die flächige Kompositionsweise und den Umgang mit der reinen Form lernen konnte, prägte sie nachhaltig. Sie hat oft darüber gesprochen.
Die schweren Lebensphasen der Künstlerin: Nichtanerkennung des Diploms; Ausschluß aus dem VBK aufgrund artfremder Betätigung (Puppengestaltung Flax und Krümel für das Kinderfernsehen der DDR), was einem Berufsverbot gleichkam; Pflege des Mannes und dessen früher Tod; Pflege der Mutter; Berufstätigkeit bis zum 65. Lebensjahr, führten nicht etwa zu melancholischen Dunkelheiten in ihrem Werk, das Tagebuchaufzeichnungen ähnelt, sondern mobilisierten die kreativ-positiven Gegenkräfte einer empfindsam kalkulierten, feingliedrigen Farbchoreografie, ohne ins Dekorativ-Plakative abzugleiten. Geometrische Linearstrukturen, flächenhafte Dreieck-, Trapez- und Kreisformen, leicht prismatisch zerbrochen und versetzt in Korrespondenz mit einer Farbigkeit, die Melodien in sich trägt, machen die Faszination ihrer Arbeiten aus. So wie die charaktervolle Interpretation eines Notenbildes durch den Musiker ist die konstruktiv betonte künstlerische Handschrift von Inge Thiess-Böttner unverkennbar eigenständig. Sie hatte eine Methode, unter Verwendung von Schablonen und einer sensibel gehandhabten Spritztechnik, entwickelt, eine Stilistik, die ihre Bilder zu einem Höhepunkt in der Weiterverfolgung eines lyrisch gestimmten Konstruktivismus machen. Die Künstlerin bewies mit ihrem umfangreichen Werk, daß konkrete Gestaltung nicht steril sein muß, wenn man sie mit Intelligenz und spielerischem Vergnügen ohne sogenanntes „Reißbrettdogma“ in vielen Variationen betreibt und die Grenzen um sich herum nicht zu eng zieht. Ihr ging es immer um die Synthese von Organischem und Konstruktivem, um eine aus der Wechselwirkung von Emotionalität und Rationalität entstehenden Harmonie. Gern bezeichnete sie ihre Kunst als “Musik für die Augen” oder „Balance der Gefühle“.
1993 konnte INGE THIESS-BÖTTNER durch Vermittlung des Sächsischen Künstlerbundes, dessen Ehrenmitglied sie war, ein Atelier in den Technischen Sammlungen erhalten. Ein Umstand, dem es zu danken ist, daß zahlreiche großformatige Bilder entstehen konnten. Hier lebte INGE THIESS-BÖTTNER ihre schöpferische Unruhe aus.
Besonders wichtig war für die Künstlerin die kreative Zusammenarbeit mit der Siebdruckerin Irina Claußnitzer. Im Bereich der experimentellen Serigrafie sind drei Werkgruppen ablesbar: dynamisch bewegte Arbeiten, deren Grundlage strukturbetonte Fotografien und Aufnahmen von gleißenden Licherscheinungen waren, mittels Collage, Einzeichnung und Computerbearbeitung künstlerisch verfremdet und in das Medium der Serigrafie übertragen; in sich ausbalancierte, beruhigte Arbeiten von zurückhaltender und bewußt reduzierter Farbigkeit, auf denen lineare Bewegungsabläufe, Dreiecke, Kreise, Halbkreise klar zueinander in Bewegung gesetzt sind; schließlich malerisch wirkende Siebdrucke changierender Flächen von Grün, Gelb, Orange, Rot, ausgehend von seriellen Halbkreisabwandlungen und jene Serigrafien, deren Grundlage die Scraper Boards waren, wobei die Motive gespiegelt, gedreht und gegeneinander verschoben neue Strukturen spielerisch entstehen ließen.
Auch Kunstgeschichte kann zur Kunstfremdheit verkommen, wo sie bloß dem informativen Kunstbegriff huldigt. Bildung ist eben nicht nur maximales Wissen, sondern ebenso optimales inneres Teilnehmen und Teilhaben an einer Sache. Alle Bildung taugt nur in dem Maße, in dem sie Begeisterung sowie Leidenschaft weckt und in deren Folge, Engagement bewirkt, so wie es INGE THIESS-BÖTTNER immer getan hat.
Karin Weber