28. November 2025 - 10. Januar 2026

WIELAND RICHTER (Jg. 1955) war und ist ein Wanderer zwischen den Welten, zwischen einer vielschichtig differenzierten Außenwelt, geprägt von archaischer Naturgewalt und einer phantasiereichen Innenwelt, wenn er mit Farben und Formen eins wird, Seelenlandschaften entwirft.
„Vom Standpunkt des Malers aus, ist Malerei die Kunst des Sichtbarmachens von etwas, das durch ihn erst sichtbar wird, und vordem nicht vorhanden war, dem Unbekannten angehörte.“ Diese Worte Willi Baumeisters in seinem grundlegenden, 1947 erschienenen Buch „Das Unbekannte in der Kunst“ rückt das Schöpferische ins Zentrum des künstlerischen Schaffens, dem es nicht um das Abbild der sichtbaren Wirklichkeit, sondern um die zweite Schöpfung geht.
Ihr liegen die Gesetze der „inneren Notwendigkeit“ zugrunde, wie es Kandinsky in seiner Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ (1911) formuliert hat. Ebenso erinnere ich an die Worte von Paul Klee, dass die Kunst nicht das Sichtbare darstelle, sondern sichtbar mache.
Fritz Winter, der bei Paul Klee Schüler am Bauhaus in Dessau gewesen war, äußerte sich im gleichen Sinne: „Es bedarf eines größeren Glaubens und einer größeren Kraft, Unsichtbares in freier Gestaltung sichtbar zu machen, als Sichtbares und Fassbares immer nur als solches zu bestätigen. Wir wollen uns hüten, alles nicht Sicht- und Hörbare als nicht vorhanden anzunehmen. Hat sich die Kunst mit all ihren Mitteln von der Wirklichkeit und ihrem Schein entfernt, so deshalb, um der Wahrheit näher zu sein als dem Schein der Wirklichkeit.“
WIELAND RICHTER knüpft in gewissem Sinne daran an. Er entfesselt seine Sehnsucht als Bewegung der Erkenntnis in einer aufleuchtenden Begegnung der Farbe mit dem Namenlosen, dem Unsichtbaren, dem schließlich Erkannten. Er ist einer jener sympathischen Unbelehrbaren, die technoidem Nützlichkeitsdenken mit einer Flut von sinnlichen Bildern begegnen, indem er sein Sein fern dieser entmenschlichten, auf Effizienz bedachten Welt, entfesselt.
WIELAND RICHTER fand das eigene Maß, fernab von täglicher Unrast und äußerer Maßlosigkeit, während eines dreimonatigen Aufenthaltes in Australien zu Beginn des Jahres 2015. Er bereiste Westaustralien, insgesamt 14.000 Kilometer, erkundete die Ozeane, die Nationalparks, die Schluchten, das lebensfeindlich heiße Inland, die Outbacks. Er war fasziniert von dem Licht, den farbigen Erd- und Gesteinsformationen, von den riesigen bis zu 64 Meter hohen Bäumen. Es ist eine schwindelerregend schöne, imposante aber auch brutal tödliche Landschaft. Er sah nur noch Farben: lichttrinkend, mitreißend, entschwebend, bodenständig, hart und weich, klingend und atmend.
Er fühlte sich unendlich frei, regelrecht befreit von allen bisherigen bildnerischen Mustern und Reglementierungen. Er sah die Landschaft wie ein Maler, nur noch in Bildern, die sich dann zurückgekehrt in seinem Atelier in Putzkau auf die Leinwände entluden. Es floss aus ihm heraus. Und mit dieser expressiven Stimmung ging auch ein Wechsel der Malmittel vonstatten: Ölfarbe war nunmehr angesagt. Neben sibirischer Kreide, chinesischen Tuschen, Acryl- und Ölfarben fanden vorher auch unpopuläre Malmittel wie Teer, Rost, Straßenlack, Sand, Alkydharzfarbe und Holzschutzlasur Verwendung.
2018 schloss sich ein Arbeitsaufenthalt in Neuseeland an.
Das Schlüsselerlebnis war allerdings für ihn 1995 eine Reise nach Norwegen. Hier spürte er die rauhe, elementare Logik kraftvoller wie gnadenloser Naturgesetze, die auch ein Mensch, der sich wie Gott fühlt, bei all‘ seiner Erfindungsgabe, nicht außer Kraft setzen kann. WIELAND RICHTER fühlte sich künstlerisch bestätigt, denn bereits vorher stellte er in seiner bildkünstlerischen Arbeit der durch den Menschen mehr oder weniger vergewaltigten Natur, das komplementäre Wunschbild einer harmonischen Balance von Mensch, Tier und Landschaft entgegen. Extreme Naturerlebnisse prägten demzufolge ganz einfach seine Weltsicht und sein Kunstwollen. WIELAND RICHTER verbindet jedes Bild mit einem konkreten Augenerlebnis. Er nobilitiert leicht strukturierte Oberflächen der Malereien und Zeichnungen, die delikate Stofflichkeit auszeichnen.
Er meint Farbe, und es ist, als ob er sie neu erschaffen würde in Gegenüberstellungen von großem ästhetischem Reiz.
Mit dem spontanen Farbauftrag ob flächig oder leicht pastos erzielt WIELAND RICHTER zuweilen ein gewölktes Rieseln von oben nach unten, ein rasches Wehen hin und her, das einer Momentaufnahme gleicht, einem geheimnisvollen Funkeln aus der Tiefe. Dennoch vermitteln diese leicht vibrierenden, den Blick aufsaugenden Flächen eine große Ruhe. Diaphane Durchlässigkeit und hermetische Verschlossenheit subsumieren die Farbkörper.
In einer lyrischen Abstraktion werden aus Flächen und Linien, aus Farbspuren und Pinselstrichen Landschaftseindrücke vermittelt – als schnitte der Künstler Stücke aus Abendhimmeln, als wandere er durch Schluchten, als flüchte er durch Wüstensand, als wäre er Bestandteil der Ozeane.
Und dann gibt es diese Bilder aus Farbwolken, die sehr offen und frei wirken. Sie atmen und sind in Bewegung, Farben ziehen wie Nebel auf und verschleiern den Blick.
Diese Arbeiten entsprechen einer systematischen Entfesselung der Sinne. Sie verwirren und fordern heraus. Glücklicherweise sind es allesamt keine ausgeklügelten, intellektuellen Kopfgeburten.
Es ist eine bewegliche, flüchtige Schönheit – die auch Brüche aufweist – im Fluge erfasst, wie eine aufblitzende Welle im Fluss der Erscheinungen, ihr farbiger Abglanz, die Übersetzung einer erlebten Weltsekunde in freies Farbgewebe. Es entstehen schrundige Verwerfungen, die an Erdkrusten, Krater und Schluchten denken lassen. In der fließenden Farbstruktur mit ihren Untiefen und Strudeln können sich auch Träume verfangen…
Karin Weber
Information
WIELAND RICHTER „Im Einklang der Elemente – ein Bild der Natur“
Eröffnung: Donnerstag, 27.11.2025, um 19.30 Uhr
Ausstellungsdauer: 28.11.2025 bis 10.1.2026
(geschlossen am: 24.12.-29.12./31.12-1.1.2026)
Im Kabinett
„lustwandeln“ – Gruppenausstellung zum Jahreswechsel