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8. Dezember 2023 - 27. Januar 2024
1952 in Bremen geboren, studierte JÜRGEN COMINOTTO Bildhauerei an der HKM in Bremen bei Waldemar Otto, der sich der figurativen Arbeitsweise verschrieben hatte, was im westlichen Teil Deutschlands in den 1970er Jahren ein Novum war, da alle nach Abstraktion lechzten. Während des Studiums wurde er erstmals mit dem Grundstoff Ton konfrontiert, der später zu seinem eigentlichen Werkstoff werden sollte. Für ihn war es wichtig, schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Das Material zwingt in eine gewisse Form, die dem Künstler auch eine Beschränkung auferlegt, die mit dem Trocknungsprozess des Materials zusammenhängt. 1994 folgte er dem Ruf als Kunsttherapeut an die VAMED Klinik im Schloss Pulsnitz. Er lebt und arbeitet seit vielen Jahren mit seiner Familie in Ohorn.
Die menschliche Figur und die menschliche Seele verschmelzen mit dem Werkstoff Ton, mit dem JÜRGEN COMINOTTO Metaphorisches und Mythologisches ausformt: spannend, witzig und universell. So gibt es immer eine Verbindung zwischen dem Menschen, der Natur und seiner Geschichte. Die Plastiken werden von Hand aufgebaut, glasiert und dann bemalt und im Brennofen bis zu 1.140 Grad gebrannt. Es sind demzufolge alles Unikate.
Formal liegt ihm das Konvexe, die runde Form, das Weibliche, das Werden, der Kreis, der Anfang und Ende in sich vereint sowie das Innen mit dem Außen. Vieles passiert im Kopf. Und damit wurde folgerichtig der Kopf das zentrale Motiv, in dem und auf dem sich vieles ereignen kann: Auf dem Kopf von Demeter blüht es und wächst und fruchtet, Adam steht auf einem Kopf, Zeus als Stier verwandelt ergibt sich dem Kopf von Europa, das Haar von Styx ist Wellenschlag, Zwillingsköpfe kommunizieren miteinander und der Kopf wird gar zum Schutzraum. Faszinierend sind die weiblichen Torsi, mit den atmenden Oberflächen, sinnlich und erotisch. Ursprüngliches verschwistert sich mit zivilisatorischem Wissen.
Diessseits und Jenseits, Jetztzeit und Traumzeit finden so fließende Übergänge. Man wird ganz einfach angezogen von den ästhetischen Metamorphosen und unerhörten Verwandlungen der spielerisch und doch mit Bedacht komponierten Kopfgeburten.
Somit besitzen diese Mischwesen die Gabe, Lebensfäden gebieterisch in der Hand zu halten. Wir stehen zeitlosen Formen im wandlungsfähigen Werden gegenüber, die die unerhörten Wahrheiten doppelt wahr machen, die ineinander überzugehen scheinen, sich sozusagen potenzieren. Da, wo man die Erde gießt, gedeiht etwas – in den Gärten der Kindheit, der Lust, der Sinne, in den kleinen Paradiesen, die wir uns inmitten von Ödland schaffen.
JÜRGEN COMINOTTO setzt plattem Tatsachensinn etwas Ursprüngliches entgegen: die Entdeckung von Materialpoesie, das Geheimnis einer Abwesenheit, ein Vermächtnis, die Erinnerung an eine vergangene Zeit. Eine Symbolik der Vergänglichkeit von wirklich handgreiflicher Realität, ist gegenwärtig in der eigenen Interpretation archaisch antiker Mythen. Er verschiebt unaufgeregt die Übereinkunft von Perspektiven mit archäologischem Gespür in der Schwerelosigkeit seiner Gedanken.
So entstehen Gebilde, denen vielerlei Anspielung eigen ist: Weltenanfang und Weltenende, Lebenslust und Melancholie, Einsamkeit und Harmonie, Abstammung und Zukunft. Seine Werke besitzen eine poetische Dimension mit musikalisch-lyrischer Akzentuierung.
Ich erkenne sinnliche Metaphern vom Werden, Sein und Vergehen, wobei JÜRGEN COMINOTTO immer gewillt ist, den dialektischen Zusammenhang zwischen Kontemplation und Aktion, Spannung und Entspannung zu betonen.
Unsere Fragen an die Welt sind es, die uns reicher machen, nicht die spärlichen Antworten, die uns zuteil werden. Die Sehnsucht ist es, die unsere Seele nährt und nicht die Erfüllung. Und der Sinn unseres Lebens ist der Weg und nicht das Ziel. Denn jede Antwort ist trügerisch, jede Erfüllung zerfließt uns unter den Händen, und das Ziel ist keines mehr, sobald es erreicht wurde. All das kann man in den Arbeiten von JÜRGEN COMINOTTO ablesen.
Karin Weber
Information
JÜRGEN COMINOTTO
“KopfGebilde” – plastische Arbeiten
Ausstellungseröffnung: 7.12.2023, 19:30 Uhr
Ausstellungsdauer: 8.12.2023 – 27.01.2024
Sonderveranstaltung
Künstlergespräch mit JÜRGEN COMINOTTO,
am 11.1.2024, 19.30 Uhr
Im Kabinett
REINHARD SPRINGER
“Wege über’s Land”
Mischtechniken auf Papier und künstlerische Druckgrafik
REINHARD SPRINGER ist ganz auf sein eigenes Erleben fixiert. So anders kann man Welt sehen, so reduziert auf das Wesenhafte, so schweigsam und doch so voller Sprache, so fern und doch so gegenwärtig, so abstrahiert und doch so realistisch.
Ungewohnte, delikate Farbsensationen erreichen im Zusammenklang mit Tönungen eine unerwartete Musikalität, die das Atmosphärische unterstreicht, den Nebel, die Himmelsweite, das Gewitter und den Lichteinfall, die Dämmerung und den Regen, Frühlingslicht und Herbstglut.
Die Intensität der symbolhaften Bildfindungen wühlen im Betrachter etwas auf, das man nur vage beschreiben kann. Dies hat etwas mit der Sehnsucht zu tun, dem Leben einen Sinn zu geben, eine eigene Spur zu hinterlassen. REINHARD SPRINGER ist ein Realist im positiven Sinne des Wortes, einer, der sich zu seinen romantischen Neigungen bekennt.
Er fand zu einer bemerkenswert eigenständigen expressiven, künstlerischen Handschrift, die von der Linie dominiert wird.
Selbst die malerischen Mischtechniken auf Papier verraten einen bemerkenswerten Zeichner. Die Schicht um Schicht aufgetragene, teils mit Sand vermischte Farbe ergibt eine reliefartige, schrundige Oberflächenstruktur, eine lebendige, atmende Malhaut, in die gleichsam das Leben seine Spuren gräbt.
Viele Reisen führten REINHARD SPRINGER nach Schweden und Norwegen, Dänemark, Rügen und Schleswig-Holstein.
Er war fasziniert von der Unberührtheit der Natur, der Weite der Horizonte, dem Licht der Sonnenauf- und Untergänge, der Urwüchsigkeit und dem bewußten Empfinden des Ausgesetztseins den mächtigen Naturkräften gegenüber. Er spürte an diesen Orten eins zu sein mit den ewigen Naturkreisläufen. Aber auch in Dresden wurde der Künstler fündig, fand eine neue Sicht auf das Stadtpanorama, wurzelte sich in der Dresdner Neustadt, porträtierte Hauswände, zeichnete ganze Straßenzüge, fand in Kauscha und am Wilisch seine Motive, auch in der Sächsischen Schweiz oder im Gebergrund. Aber ganz besonders faszinierend sind die Feldlandschaften, die Novemberlandschaften auf dem Wilisch und die Gewitterlandschaften bei Dresden, aus denen etwas versöhnlich Ewiges spricht.
Karin Weber