27. Juni - 23. August

Plastik / Skulptur / Druckgrafik / Malerei
In dieser Ausstellung begegnen sich WOLFRAM HÄNSCH und FRANK MAASDORF (1950-2023) mit ihren Werken nicht zum ersten Mal. Sie trafen sich bereits in den 1970er Jahren und fanden respektvoll dem anderen gegenüber Berührungspunkte. Mit der Jahrtausendwende mündete eine Wiederbegegnung in gemeinsamen Ausstellungsprojekten.
WOLFRAM HÄNSCH wandelt bewusst auf den Wegen der Erinnerung. Er ist kein Geschichtenerzähler und lebt dennoch im verschwörerischen Gleichklang mit den ewigen Geheimnissen des Universums, geschützt vor der Zeit und doch inmitten des Alltags. So entstanden emblematische Bilder, die variantenreich Räume zwischen Eindeutigkeit und Vieldeutigkeit, Rationalität und Irrationalität zu beschreiben vermögen.
Die Arbeiten von WOLFRAM HÄNSCH bilden Reservate, kreative Aufenthaltsorte, Bild gewordener Gedanken von Farbe, Form und Raum. Manchmal wirken diese Reservate wie Paradiese: magisch, sinnlich, voller Energie, die noch ein Werden zulässt. Was sich zuerst als abstrakte Farbflächenkomposition erweist, erfüllt sich als Farbraum, beseelt und erlebt, ja durchlebt.
In Meißen geboren, malte er als Kind mit Besessenheit. Er wollte Künstler werden. Durch Vermittlung seiner Mutter erhielt er eine Malerlehrlingsstelle im Stadttheater Meißen und wie es der Zufall so wollte, sahen Anni Jung, Paul Michaelis und Rudolf Bergander Arbeiten von ihm und rieten ihm ,sich zu bewerben an der Hochschule für Bildende Kunst. Er wurde in die Malereiklasse immatrikuliert. Es drängte ihn jedoch zur Grafik. Letztlich wurde er Schüler von Hans Theo Richter. Vor dem Diplom kam es zu inhaltlich-ideologischen Diskrepanzen, was zu einem vorzeitigen Verlassen der Bildungseinrichtung führte. Nach einem Eröffnungsverbot seiner ersten Ausstellung im Leonhardi-Museum mit Peter Makolies und Horst Leifer zog er sich aufs Land nach Seeligstadt bei Taubenheim zurück und beobachtete in stiller Versunkenheit die Landschaft, das karge ländliche Leben der Menschen, die Einfachheit von Interieurs, die Menschen selbst. Die Beschäftigung mit dem Werk von Otto Dix, Curt Querner, Alberto Giacometti, Paul Cezanne und Albert Wigand sowie das Studium der Werke alter Meister prägten ihn nachhaltig.
Die Dinge sind so wie sie sind, der Stuhl, der Tisch, die Lampe, das Buch, die Treppe. WOLFRAM HÄNSCH hat eine sinnlich-konkrete Sprache entwickelt, ohne ablenkende, erzählerische Details, erdig schwer und karg mit farbigen Kontrapunkten. Der Schriftsteller Wulf Kirsten sprach von „rustikaler Ursprünglichkeit und funktionaler Gediegenheit“. Das Gewicht der Welt, der Dinge, muss im Bild, im Ausschnitt oder Anschnitt enthalten sein, sagte mir WOLFRAM HÄNSCH. Er ist ein Meister der nuancenreichen , malerischen Aquatintaradierung.
FRANK MAASDORF war Bildhauer, der Formen wie Bindeglieder zwischen Zeit und Ewigkeit handhabte, der sich beredete mit alten und neuen Mythen, um der Endlichkeit allen Wünschens und Begehrens kraftvoll zu trotzen. Sein Werk ist ein Werden im Ganzen, das klassisches Maß mit Brüchen in Reibung mit der klassischen Moderne und archaische Schönheit vereint. Die Skulptur, ein Idol, erdenschwer verortet, ist gültig und präsent und stellt immer eine sinnliche Herausforderung für den Betrachter dar. Das Wechselspiel von behauenen, wie gewachsenen Oberflächen, von runden und kantigen Formen, von Durchbrüchen und Einschlüssen verführt dazu, diese Bildungen nicht nur anzusehen, sondern sie zu umschreiten und anzufassen. Der Reichtum der Arbeiten liegt in ihrer wunderbaren Entwicklungsfähigkeit, die sich mit der Erkenntnis ihres Wesens erschließt. Denn die stille Harmonie der Formen impliziert eine beunruhigende, innere Spannung, ein Gespanntsein. Die Bewegung nach innen entbehrt also nicht einer Bewegung nach außen. So entsteht in der Korrespondenz von Berührtwerden und Berührtsein unwillkürlich ein stilles Gespräch. FRANK MAASDORF beschäftigte sich vorrangig mit dem auf das Wesentliche reduzierten weiblichen Akt, liegend, hockend stehend, in sich vedreht, leicht tanzend, aber auch Köpfe mit Masken, janusartige Doppelgesichter, Tiere, Torsi, Stelen, die gleichsam in den Himmel wachsen, Trieb, Klang und Aggression in sich vereinen, und mytholgische Darstellungen, wie „Nymphe und Satyr“, das Holofernesgleichnis, wobei die mythologischen Darstellungen immer etwas mit seiner eigenen Lebenserfahrung zu tun haben.
Seine Materialien waren Sandstein, Holz und Bronze. FRANK MAASDORF wollte nichts erzählen. Es sind Zustände. Plastisch voluminöse Formen verschmelzen mit archaisch kubischen, kantig rhythmisierten. Sigrid Walter sprach von einem „sanften Kubismus“, dessen scharfe Kanten sich später rundeten. So stehen barocke Üppigkeit neben großer archaischer Strenge und Klassizität. „Man nimmt dem Stein etwas, um Volumen zu erzeugen“, sagte mir der Künstler einst. Das heißt, er ist ein Naturtalent. Eigentlich wollte der 1950 in Dresden geborene FRANK MAASDORF Häuser bauen. Als Kind war er fasziniert in der Friedrichstadt von den barocken Löwen, die das Marcolini-Palais zieren. Aus Ziegeln und Sandstein hat er Figuren geschabt, war begeistert von der Geschichte um die Holzfigur Pinocchio und wollte auch ein Hohleisen besitzen. Vielseitig begabt, hat er auch Musik gemacht, Free Jazz. MAASDORF hatte sich gegen die Laufbahn eines Leistungssportlers entschieden. Mit 17 stieß er zum Künstlerkreis um Ralf Winkler (später A.R. Penck genannt), Klaus Liebscher, Hartmut Bonk, Peter Makolies und WOLFRAM HÄNSCH. Man ermutigte ihn, als er eine modellierte Figur zeigte, weiter zu arbeiten. Ralf Winkler war überzeugt: „Ja, Frank, Du wirst ein Bildhauer!“ FRANK MAASDORF sagte mir: „Steine gibt es ja genug in Sachsen. Also habe ich es geschafft.“ Von 1972-77 studierte er bei den Professoren Arnold und Jäger Bildhauerei.
Karin Weber
Information
FRANK MAASDORF (1950-2023) & WOLFRAM HÄNSCH
„Korrespondenzen“
Plastik/Skulptur/Druckgrafik/Malerei
Eröffnung: 26.6.2025, 19.30 Uhr
Dauer: 27.6. – 23.8.2025
(geschlossen vom 3. – 5. Juli 2025)
Im Kabinett
Arbeiten aus einer Privatsammlung